OBELODE

Genealogie – Steinhagen


Steinhäger

Hinweis

Ich bekomme viele Anfragen zur aktuellen Steinhägerproduktion, zu Liefermöglichkeiten, Werbemitteln und Spendenanfragen. Um es noch einmal deutlich zu machen: Ich bin kein Hersteller oder Lieferant von Steinhäger; diese Seiten enthalten lediglich historische Informationen zu Steinhäger. Wenn Sie aktuelle produkt- oder vertriebsspezifische Fragen haben, wenden Sie sich bitte an die aktuell produzierenden Firmen Schwarze & Schlichte in Oelde oder Heydt in Haselünne.

Der echte Steinhäger kommt nur aus Steinhagen. Der weit über die deutschen Grenzen hinaus bekannte Wacholder-Branntwein hat den Namen Steinhagens einzigartig verbreitet. Anfangs nur zu Heilzwecken bestimmt und als Wacholderwasser oder Wacholderöl hergestellt, entwickelten sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Hausbrennereien zu einer bekannten Industrie in dem Schnapsdorf Steinhagen. In den besten Zeiten des vergangenen Jahrhunderts gab es zwanzig Brennereien, heute sind davon noch zwei geblieben. Charakteristisch ist die längliche Flasche aus braunem Steinzeug – die sogenannte Kruke.

Steinhäger ist seit dem Jahr 1989 durch entsprechende EG-Verordnung eine geschützte geografische Herkunftsbezeichnung; konkret festgelegt in der »VERORDNUNG (EWG) Nr. 1576/89 DES RATES vom 29. Mai 1989 zur Festlegung der allgemeinen Regeln für die Begriffsbestimmung, Bezeichnung und Aufmachung von Spirituosen«. Dort ist unter Kategorie »11. Spirituosen mit Wacholder« neben anderen »Steinhäger« aufgeführt. Download der EU-Norm in deutscher Sprache bei EUR-Lex, dem Zugang zum EU-Recht.

Schinkenbild als Markenzeichen des Schinkelhägers der Firma H.C. König
Das bekannte Schinkenbild mit Pumpernickel, Radischen, Bier, Westfälischem Schinken und der Steinhägerkruke war über Jahrzehnte das Wahrzeichen der Firma H.C. König und symbolisiert das typisch rustikale Essen in Westfalen. Dazu gehört immer ein guter »Schluck« oder ein »Kurzer«, wie man hier den Schnaps nennt. (Foto: A. Obelode)
Steinhägerflasche über den Dächern von Steinhagen, Wahrzeichen der Firma Schlichte
Weithin sichtbar ist das Wahrzeichen von Steinhagen: die grüne, fünf Meter hohe Stein­häger­flasche über den Dächern der ehemaligen Firma Schlichte. Heute beherbergen die Gebäude mehrere Geschäfte sowie das Historische Museum mit vielen Exponaten aus der Brenne­reige­schichte des Ortes. (Foto: J. Obelode 2013)

Die Geschichte des Steinhägers

Im Jahre 1688 erließ der Große Kurfürst von Brandenburg ein Kommerzial-Edikt, wonach den Dorfschaften das Brennen von Branntwein verboten wurde. Einzig das Kirchspiel Steinhagen erhielt die besondere Ausnahmegenehmigung, Hausbrennereien betreiben zu dürfen. Offensichtlich hat Seine Durchlaucht den Steinhäger bereits als besondere Wohltat geschützt und als unverzichtbar angesehen.

Heutzutage ist Steinhäger – nach der offiziellen Bezeichnung eine Spirituose mit Wacholder – das Produkt eines dreifachen Destillationsprozesses: Aus ausgesuchten Getreidesorten wird Kornalkohol destilliert. In einem separaten Arbeitsgang werden Wacholderbeeren vergoren und ebenfalls destilliert. Der daraus entstandene Wacholderlutter wird mit dem Kornalkohol vermischt und in großen Brennblasen nochmals sorgfältig abgebrannt. Dieses Steinhäger-Destillat wird mit Wasser aus den eigenen Brunnen auf Trinkstärke herabgesetzt, filtriert und bis zur Abfüllung gelagert.

Steinhäger ist seit 1989 durch entsprechende EG-Verordnung eine geschützte geografische Herkunftsbezeichnung. Der Steinhäger ist eine milde Spirituose, die durch ihr harmonisches feinwürziges Aroma geprägt ist. Er wird in seiner Heimat hauptsächlich pur getrunken, entweder zum Bier, um den Magen anzuwärmen, aber auch als Aperitif oder Digestif und gerne in Geselligkeit. Aufgrund seiner angenehmen Wacholdernote eignet sich Steinhäger auch sehr gut als Basis für Longdrinks und interessante Cocktails.

Das Wissen um die heilsame Wirkung des Wacholders hat sich nicht nur in Steinhagen erhalten. Es gibt Leute, die noch heute ihre gute Gesundheit im hohen Alter dem mäßigen, aber regelmäßigen Genuss von Steinhäger zuschreiben. Steinägerkruke mit Spruch Die Firma Schlichte gehörte seit jeher zu den wichtigsten Steinhäger-Produzenten. Sie entwickelte sich aus einer Hausbrennerei als landwirtschaftlichem Nebenerwerbsbetrieb. Als Gründungsjahr der Firma Schlichte gilt das Jahr 1766, in dem mit der gewerbsmäßigen Herstellung von Steinhäger begonnen wurde. Schlichte war auch die erste Steinhäger-Brennerei, die im Jahr 1840 die industrielle Fertigung dieser Spirituose aufnahm. In 19., erst recht aber im 20. Jahrhundert ist Steinhäger als die deutsche Spirituose weltweit berühmt geworden. Außer dem bekannten Original Schlichte Steinhäger, der auch heute noch in alle 5 Kontinente geliefert wird, gibt es den Schlichte Urbrannt, der nach einem Ursprungsrezept in einem besonders aufwendigen Destillationsverfahren hergestellt wird und sich durch eine unvergleichlich milde, ausgewogene Wacholdernote auszeichnet. Diese exklusive Spirituose wird wie in alten Zeiten in einem von Hand gefertigten Tonkrug geliefert.

Seit 1989 bildete die H.W. Schlichte Steinhäger- und Kornbrennerei Steinhagen, zusammen mit der Westfälischen Kornbrennerei Friedrich Schwarze in Oelde einen Firmenverbund. Auch die 1664 gegründete Fa. Schwarze befindet sich noch heute in Familienbesitz.

Wacholder und die kleine Gemeinde Steinhagen kann man schon seit dem 15. Jahrhundert nicht mehr trennen. Im Jahre 1896 wurde der Name Steinhagen und Steinhäger dann erstmals auch im Brockhaus-Lexikon erwähnt. Wappen der Gemeinde Steinhagen Die Bedeutung des Steinhägers für den Ort wird auch erkennbar durch das Wappen der Gemeinde, das einen gespaltenen Schild zeigt. Im silbernen Schildfuß leuchten die drei roten Sparren der alten Grafschaft Ravensberg, darüber links eine goldene Ähre in blauem Feld, rechts ein blauer Wacholderzweig auf goldenem Grund, denn: »Was am Rhein der Wein, in München das Bier, ist der Steinhäger hier!«

Die Geschichte einer klassischen deutschen Spirituose

Steinhäger ist eine der klassischen deutschen Spirituosen. Sein Ursprung reicht bis ins 15. Jahrhundert zurück. Dieses reine Produkt besteht ausschließlich aus Wacholderbeeren, Wacholderdestillat, reinem Getreidealkohol und frischem Quellwasser, ganz ohne fremde Zusatzstoffe.

Wacholder in der Geschichte

Älteste Überlieferungen bezeugen, dass Wacholder schon in der Antike einen wichtigen Platz in der Heilkunde und Mythologie belegte. Der immergrüne, harzige Wacholderstrauch war unseren Vorfahren heilig und galt als Baum des Lebens. Auf den Plätzen, wo die Germanen ihre Toten verbrannten, wurde häufig verkohlter Wacholder gefunden, sie gaben ihn ihren Dahingegangenen mit auf den Weg nach Walhall.

Wacholder war ein wichtiger Verbündeter gegen jegliche bösen Geister, er wurde über der Haustür als Schutzzauber angebracht und zu mannigfachen sakralen Handlungen, besonders Räucherungen eingesetzt. Im frühen Christentum wurde der Brauch der Heiden übernommenen, mit Wacholder beim Gottesdienst zu räuchern, erst später verwendete man Olibanum, den orientalischen Weihrauch.

Wacholder als Heilmittel

Noch im Mittelalter und besonders zu Zeiten der Pest wurde Wacholder zur Räucherung in Krankenzimmern empfohlen. Durch seine fungizide und bakterizide Eigenschaft wurde hierdurch das Ansteckungsrisiko bei Infektionskrankheiten vielfach vermindert. Wacholder gilt seit alters her als Hausmittel, das erwärmt, Lebenskräfte erzeugt, das Bewusstsein stärkt, Leben verlängert und Spuk vertreibt. Sogar als Aphrodisiaka fand er Beachtung und sein Öl soll gegen Impotenz helfen. Eigentlich wurden alle Bestandteile dieses vielseitigen Strauches erfolgreich als Heilmittel gegen eine Vielzahl von Krankheiten eingesetzt, so gegen chronische Katarrhe und Verschleimungen, Husten, Asthma, Blasenerkrankungen, Stein- und Griesleiden, Gicht, Migräne, Entzündungen jeder Art wie auch infektiöse Hautkrankheiten, Schwellungen und sogar zur Wundheilung und gegen Warzen.

Die ausgedehnteste Verwendung fanden die Wacholderbeeren, ursprünglich Bestandteil alltäglicher Ernährung, die einen günstigen, reinigenden, anregenden und kräftigenden Einfluss auf den menschlichen Organismus haben. Ihre arzneiliche Anwendung ist von großem Nutzen bei Magenweh, den verschiedensten Verdauungsbeschwerden, Gärungen, Blähungen, Leber- und Nierenleiden sowie bei Koliken. Ihre keimtötende und fäulniswidrige Wirkung wurde auch zur Lebensmittelkonservierung eingesetzt, z. B. beim Pökeln oder dem Einlegen von Sauerkraut. Pfarrer Kneipp hat im 19. Jahrhundert durch seine Wacholderkur den Wacholderbeeren neue Beliebtheit verschafft, aber das Wissen und die wohltuende Wirkung sind in der Volksmedizin stets gegenwärtig geblieben.

Wacholder als Pflanze

Der Wacholder kann auf gutem Boden zu einem kleinen Baum werden, nimmt aber auch mit den magersten Böden vorlieb. So hatte er ein großes Verbreitungsgebiet an den sandigen Hängen des Teutoburger Waldes bis in die ursprünglich karge Heidelandschaft der heimischen Gefilde. Es ist sicherlich kein Zufall, dass in dieser kühlen und feuchten Region Norddeutschlands, wo man schnell mit Husten und Rheuma zu tun bekommen kann, die Menschen den Wacholder besonders schützten.

Verwendung des Wacholders im Steinhäger

Leider war der Saft der Beeren nicht unbegrenzt haltbar. Mit den aufkommen der Destillierkunst hat man durch Zugabe von Alkohol das Problem optimal gelöst. Hier liegt der Ursprung unseres Steinhägers.

Zunächst war die Herstellung von Alkohol, dem Aquavitae, Klöstern vorbehalten, später befassten sich privilegierte Hof- und Ratsapotheken mit der Herstellung und dem Verkauf. Es blieb nicht aus, dass auch andere Kreise bald ihren eigenen Schnaps herstellten. Bauern brannten ihn als Haus- und Heilmittel, besonders Wirtsleute witterten ein gutes Geschäft mit ihren eigenen Produktionen.

Hatte man anfangs nur einfach Kornbranntwein in den verschiedensten Rezepturen über die Wacholderbeeren gegossen oder dem Saft zugefügt, so wurden bald die Beeren selbst in den Destillationsprozess mit einbezogen. Das Herstellungsverfahren wurde im Laufe der Jahrhunderte immer mehr verfeinert und so entwickelte sich aus einem vortrefflichen Heilmittel ein obendrein sehr beliebtes Genussmittel, dessen zunehmender Gebrauch aber nicht immer nur den Frohsinn förderte und schließlich strengen Regeln unterworfen wurde.

Quelle: Fa. Schwarze-Schlichte, Oelde